Donnerstag, 27. Dezember 2007

Begegnungen mit Seitenblick und Down Syndrom

Lehrer haben einen besonders entwickelten Seitenblick oder, genauer gesagt, einen Seitenblickwinkel. Er ist etwas größer als sonst, er ist ein gewisser Schutz für sich und die Schützlinge.
Ich habe auch einen solchen.
Je jünger die Schüler sind, desto größer wird er - das habe ich in jüngeren Klassen "auf dem eigenen Auge" gemerkt.

Beim heutigen Einkaufen lief meine jetzt 10-jährige Tochter durch den Supermarkt und begrüßte eine Bekannte - Mutter ihrer ehemaligen Mitschülerin. Diese Mutter ist selbst eine Lehrerin und hat noch Kontakte zu einigen Mitschülern und ihren Eltern. Zu uns hat sie diese auch gehabt, unsere Töchter haben viel zusammen gespielt, allerdings nicht mehr nach der Geburt von Johanna...

Ihre Reaktion auf die Begrüßung meiner Tochter war erstaunlich, es war wie ein kleiner Schub in den Rücken: sie hat begriffen, dass ein Elternteil auch hier ist. Der Seitenblick wurde eingeschaltet. Sie "ortete" mich.
Danach war die Zeit im Geschäft wie ein Versteck-Spiel: bei ihren Gängen durch den Laden hat sie ganz genau aufgepasst, dass sie mich und meine Augen nicht trifft, in "kritischen" Kurven sorgfältig dunkle Stellen auf dem eingekauften Obst betrachtet oder sehr intensiv den Inhalt ihrer Geldbörse überprüft...

Sie wollte mich nicht treffen, sehen, sprechen...

Ihre Kinder kamen auch alle so "ab 35", die Ängste, die Untersuchungen, die Gedanken, die damit verbunden sind, sind ihr bekannt. Das Erschaudern in der Nacht, die Frage "Du, Kleines, bist Du gesund?" - alles ist ja so gleich...
Sie hatte keine Zeit und keine Lust, sich mit mir auseinanderzusetzen... Sie hat mich ignoriert...

Ihr Seitenblickwinkel ist perfekt.
Als Kollegin kann ich ihn nur bewundern: Respekt, Frau Lehrerin, so bleiben Ihre Schutzbefohlenen immer bestens unter Kontrolle...

2 Kommentare:

Claudia hat gesagt…

Liebe Irina, das sind immer die "Begebenheiten", die mir wohl auch noch bevorstehen, wenn Mia etwas größer ist und man das DS wohl eher sieht. Momentan ist sie ja noch das "putzige Baby". Ich finde es immer wieder schade, und kann mir die Situation gut vorstellen. Wahrscheinlich sollte ich schon einmal anfangen, darüber nachzudenken, wie ich wohl mit solchen Situationen umgehen werde. Liebe Grüße aus dem Sauerland, Claudia

Ulli hat gesagt…

Liebe Irina,
versuch Dir das nicht so zu Herzen zu nehmen. Die meisten Leute wissen nicht, wie sie mit Dir umgehen sollen. Das ist schlimm, ist aber nun mal leider so. Geh bei der nächsten Gelegenheit doch einfach auf die betreffende Person zu, so dass sie Dir gar nicht ausweichen kann und sprich sie an. Zeig der Öffentlichkeit wie stolz Du auf Johanna bist. Und Du hast wirklich allen Grund dazu. Damit nimmst Du den Leuten die Angst, wenn sie sehen, dass Du ganz normal mit Deinem Kind umgehst.
Ich weiß, es ist blöd, wir Eltern haben schon genug zu tun und auch genug zu trauern, immer noch. Und dann müssen wir uns auch noch um die anderen kümmern. Dabei sind wir es doch, die Zuspruch brauchen. Aber sieh Dich als Botschafter für die gesamte DS-Gesellschaft. Die "anderen" wissen es einfach nicht besser. Nur dadurch dass sie lernen, wie man mit einem Kind mit DS umgeht und dass man es NICHT ignoriert, machen sie es beim nächsten Mal besser.

LG Ulli