Sonntag, 16. Dezember 2012

Der erste Zahn

...auch einige Highlights haben wir erlebt...


im Juni 2012  
Johanna zupfte Papa am Ärmel: Papa, mein Zahn will raus!
Papa stand gerade mit einer Zange am Elektrokasten.
Ach, Johanna es ist noch zu früh (sie ist ja erst 5,5)
Nein, Papa, er will raus!
Tatsächlich, der Zahn, der erst neulich anfing, leicht zu wackeln, hing auf einem "Faden".
Johanna, soll ich denn den Zahn herausziehen?
Ja!! - der Mund breit auf...
Kurzerhand wurde die Elektrozange fachfremd eingesetzt.
Der Zahn war raus, Johanna war stolz, der Zahn sollte für Mama als Geschenk eingepackt werden.
Leider ist er dabei verloren gegangen.
Johanna war nicht traurig darüber: sie war der Meinung, dass sie nur ohne Zähne ein Vorschulkind werden kann. 

Nun erzählte sie überall, dass sie  ein "richtiges" Vorschulkind ist! 

Heute, mit 6 Jahren, hat sie schon zwei neue Zähne (beide unten) und kann sie wunderbar alleine putzen.

Ich dachte sie stirbt...

...Wir hatten einige Tief-Punkte im vergangenen Jahr erlebt...

An einem ruhigen Freitag abend am Anfang Juli 2012 wollte Papa mit Johanna je eine Kugel Eis essen. Leider sind sie "fremdgegangen" und ein anderes Eiscafe aufgesucht. 

Am nächsten Morgen ging es Papa schlecht, aber sehr schlecht. Danach hustete plötzlich Johanna... das war aber kein Husten oder kein Verschlucken... ab dann zählten leider nur wenige Stunden...

Am frühen Nachmittag fuhr Papa  (man darf gar nicht erwähnen wie schnell) zum Kinderhospital, ich schüttelte auf der Rückbank ein praktisch ohnmächtiges Kind und schrie: "Johanna, hast Du eine Schwester? Wie heisst sie? Antworte!!!!" Ich dachte an EHEC, an alle schlimmen Lebensmittelvergiftungen, von denen ich gehört habe, an die Nierenschäden, Dialyse, Gehirnschäden etc etc...

Das Kind kam sofort an den Tropf, wir wurden isoliert, ich durfte den Raum nicht verlassen, das Essen wurde gebracht, die Besucher sollten sich alles desinfizieren und eigentlich sollten sie gar nicht kommen, die Schwestern hatten Schutzanzug-Pflicht... Johanna ließ mit sich alles machen. Der erste Zugang an der Hand wurde ungünstig gelegt, man musste einen zweiten legen...  So vergingen zwei Tage und das Kind war langsam ansprechbar...

Zu meinem Staunen akzeptierte sie die Schläuche als notwendige Hilfe, fragte schwach nach Wasser, behielt aber nichts, musste immer wieder umgezogen-gewaschen werden... Sie riss die Zugänge nicht aus, sie verhielt sich absolut diszipliniert und kooperativ, ich durfte sie sogar alleine lassen und kurz spazieren gehen - mit ihrer leichten Besserung ist der EHEC-Verdacht aufgehoben worden, ich konnte mich bewegen...

Hier sind die einzigen Fotos aus dem vierten Krankenhaus-Tag: Johanna hält diszipliniert die Hand, ein neuer Zugang ist wieder notwendig, sie hat ja keine berühmten Venen...  
Man sieht die Kleidung der Krankenschwester - es wurde enorm viel Material verbraucht, bei jedem Besuch des Zimmers - ein Kittel, Handschuhe, Kappe und Maske - und dann alles in den Müll...



Das Händchen bleibt gestreckt, auch wenn keiner es hält...

 
Nun wird die Nadel ausgepackt - Johanna schaut nur zu und lässt alles machen... Die Schwestern haben mir viel Lob bezüglich Johannas Disziplin ausgesprochen.

Papa musste nicht ins Krankenhaus, aber auch er brauchte eine ganze Woche, um sich zu erholen. Wie wir das Hotel in dieser Zeit - nebenbei, versteht sich -  geschmissen haben, darf ich auch nicht erzählen.

Eine Auskunft zu Johannas Erkrankung bekamen wir nicht, eine Ursache wurde nicht eindeutig festgestellt, man tippte auf eine Koli-Bakterien-Infektion, welche grundsätzlich schwer nachweisbar sei... Wir wurden auch nicht gefragt, woher das Eis stammte... 

Diese Erlebnisse, die uns an Johannas möglichen Tod denken ließen, haben uns zu vielen Entscheidungen bewogen. In diesem Schuljahr bereits ist Einiges aus diesen Entscheidungen realisiert worden, weitere Veränderungen kommen im nächsten Jahr...

Johanna weiß übrigens ganz gut, wie es im Krankenhaus war. Als sie vorgestern mit einer leichten Magen-Darm-Grippe aus der KiTa abgeholt werden musste, fragte sie, ob sie ins Krankenhaus muss...





Nach und nach

gewöhne ich mich an die neuen Strukturen und neue Oberfläche der Blog-Welt. Ich bin noch nicht ganz "zu Hause",  es ist so, als ob man in meiner Abwesenheit alles umgestellt hat :-) Ich fand wieder die Wege zu Fotos, ich versuche nächstes Mal mit einem Filmchen, die Kommentare waren eine Weile für mich nicht auffindbar :-) .
An alle, die sich an uns erinnern oder uns noch erkannt haben und bei uns gern "reinschauen", liebe Grüße und herzlichen Dank.

Im Februar 2012

haben wir den FED der Lebenshilfe zur Hilfe gerufen.  

Ohne fremde Unterstützung konnten wir unsere Tage ohne Gefahren für Johanna nicht meistern.Während Mama an 3 Nachmittagen später nach Hause kam, versuchte  Johannas Papa seine Home-office-Tage zu meistern und Johanna zu beaufsichtigen, zum Sport zu begleiten, den Haushalt einigermaßen im Griff zu halten und viele weitere Sachen zu verfolgen... 

Das Ganze war nicht so eifach zu organisieren... Johanna experiementierte auf allen Ebenen... sie spielte Kochen auf dem "richtigen" Herd, verteilte Öl,frische Eier und Spülmittel, wischte großzügig Böden, schaltete alles Mögliche ein und Papas PC aus, ging alleine spazieren, zerschnitt und schnitt alles Mögliche, auch ihre Haare, Bücher und Kleider, malte auf allen Gegenständen mit Filzstiften und Zahnpasta... die ganze freie Zeit, wenn man dies überhaupt "freie" Zeit nennen konnte, wurde in die Schadensbeseitigung  investiert... Eigentlich brauchte Johanna zu diesem Zeitpunkt eine 24-Stunden-1-zu-1-Betreuung...  

Nach einem Kontakt mit dem Büro des FED habe ich festgestellt, dass es dort positive Veränderungen gab und neue Kräfte dort tätig sind. Für uns und für Johanna begann ein neuer Lebensabschnitt. 

An 3 Nachmittagen wurde Johanna um 14:00 aus der KiTa abgeholt und zum Sport oder zum Tanzen begleitet. Erst brachten wir morgens nicht nur das Kind in die KiTa, sondern auch das Fahrrad samt passendem Kindersitz-Helm-Regenumhang, da nicht alle unsere Begleiter so (Kinder)-erfahren waren. Auf die Schnelle wurden einige Halterungen für abnehmbaren Kindersitz an die Fahrräder angebracht, wir brachten morgens die Kombination Kind-Kindersitz-Helm-Regenjacke mit... Das war eine Logistik...

Und alles ging weiter. Nach anfänglichem Nicht-Mitkommen-Wollen, wovon wir erst Anst hatten, gewann Johanna viel Vertrauen und schloss ihre neuen Begleiter ins Herz. Es entwickelten sich weitere Interessen und Aktivitäten, es wurden weitere Spielplätze erkundet, neue Geschäfte besucht, Busfahrten gemacht und viele neue Kontakte geknüpft. In "unserem" Eiscafe am WE erzählte man uns, dass Johanna hier schon Mal gesichtet wurde, in einer Bäckerei sprach man Johanna mit dem Namen an, eine ganze Kindergartengruppe begrüßte sie im Vorbeigehen, Johanna schwermte vom Pfannkuchenbacken und von Spaziergängen mit einem, manchmal gleich mit zwei Hunden... Wir waren glücklich, Johanna war glücklich, wir bekamen eine Entlastung und Johanna bekam neue Impulse und Anregungen. Auch sprachlich ging es bei ihr sehr schnell voran - sie wollte ja von allen Erlebnissen berichten... 
Auf diesem Foto ist Johanna im März 2012 
  


zu sehen. Leider war ich ja nicht dabei... Die liebe alte Hündin lebt leider nicht mehr, dies war einer ihrer letzten Tage...

P.S. Man muss bedenken, dass in dieser Zeit wir, Johannas Eltern, eben nebenbei seit bereits vier Monaten Johannas zukünftigen Arbeitsplatz Schritt für Schritt zu dem machten, was er jetzt, nach insgesamt 13 Monaten, geworden ist. Auch an dieser Stelle gilt unser Dank den engagierten jungen Menschen aus dem FED, welche wir in guter Erinnerung behalten werden.

Freitag, 14. Dezember 2012

Mitgedacht

 ... Ich habe da einen Entwurf gefunden...
mit dem Datum 09.09.2011... Johanna war 4 Jahre und fast 10 Monate...

Ich fuhr Johanna in den KiGa.
An einer Stelle muss ich eine vierspurige Straße ohne Ampel überqueren, nach links abbiegen und rechts einordnen. Ich mag diese Stelle nicht, aber dieser kleine Trick spart 5 Kreuzungen samt Ampel...
Ich denke immer laut und kommentiere Johanna, welches Auto wir noch vorbei fahren lassen müssen/können und wann wir lieber noch warten müssen.
Heute war alles frei, nur ein Auto, ziemlich schnell, kam von rechts. Ich dachte, ich schaffe es, noch vor ihm nach links abzubiegen.
Es war ein wenig zu knapp. Ich habe nichts kommentiert.

Mama, schneller fahren! Auto kommt! 
Erst habe ich gar nicht wahrgenommen, dass Johanna die Situation offensichtlich genau beobachtet hat. Ich habe gefragt, warum ich denn schneller fahren sollte. Sie antwortete:
 

Dann Auto bummmm!
 

Erfahrungen aus dem Fernsehkonsum?

Die Sprüche...

- Du bist ein Frechdachs!- das bekommt jemand zu hören, wenn Johanna grundsätzlich unzufrieden ist...

- Ach, komm` schon, Mama, du bist ja ein großes Mädchen, das schaffst Du schon! - wenn ich versuche, zu erklären, das etwas momentan nicht möglich/nicht erreichbar/schwierig ist.... Man kann drei Mal raten, was ich nach dieser netten Aufforderung alles doch bewege...

- Ich bin eben nicht so schnell wie Du denkst! - wenn Johanna sich schon wieder  etwas anderes überlegt, als das, was jetzt ansteht...

- Mama, ich will Frieden! - nach einem Streit oder einem Stimmungsbruch - mit einer ausgestreckten Hand entgegend kommend... Natürlich gibt es Sofort- Frieden...

- Diese sind aber cooler! - Johanna will lieber ihre modischen Stiefel anziehen - es passt ihr nicht, dass ich zum Reiten nach den Gummistiefel greife...

 - Na, hast`s` schon wieder verpennt?" - wenn ein längst in die Einkaufsliste eingetragener Artikel immer noch nicht im Kühlschrank zu finden ist...

- Maria, Du nervst! - ... Tja, diese großen Schwestern...

Das sind unsere aktuellen kleinen und großen "Perlen", von welchen eine Menge leider verloren ging - zu lange war meine Blog-Pause...

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Der Schrecken... mein ganz persönlicher...

Ich, Johannas Mutter, werde nun meinen Blog weiter führen. 
Johanna ist heute 6 Jahre und 1 Monat alt geworden. 
Johanna kritzelt ihre ersten Buchstaben, wer weiß, ob sie irgendwann meine Zeilen lesen kann...
Das ist eine unvorhersehbare Zukunft.
In der Gegenwart wartet Johannas Großfamilie auf die Beiträge, die seit einem Jahr ausgeblieben sind.

Ich weiß auch nicht, wer sich hier- in meinem Blog - zufällig, aus Versehen, aus Neugier, aus echtem Interesse - einfindet...

Deshalb bitte ich: 
 - sollte jemand mich aus Versehen gefunden haben und kommt auf die Idee, mir einen Preis/eine Auszeichnung/sonstwas für einen "Randgruppen-Blog" zu verleihen - so soll dieser jemand sofort den Blog verlassen.

- sollte sich jemand damit nicht abgefunden haben, ein behindertes Kind bekommen zu haben und sollte jemand mit meinem Blog diskutieren/polemisieren/oder gar eigene Frust abarbeiten wollen - bitte ebenfalls wegzuklicken. Kommentare in diese Richtung werden ignoriert.

Denn dieser Blog ist mein eigener Weg mit meinen Kenntnissen, Lebenserfahrungen und Neigungen/Abneigungen. 

Und mein Schrecken vor 6 Jahren war und ist mein ganz persönlicher, aus meinen Lebenserfahrungen und Beobachtungen entstandener
und DEN will ich weder verstecken noch verschönigen und schon gar nicht verdrängen.

Er war und ist... man lernt vielleicht nie, das permanente Verlieren auf jedem Schritt hinnehmen zu müssen.
Egal, wie sich das Kind anstrengt, wird es "nur" .....
..... "seinen Weg gehen".......
wie man so von Fremden "als Beruhigung" hört. 

Wie wird dieser Weg sein? 
Was werden wir erleben?

Wir wissen aber schon jetzt ganz genau, was wir NICHT erleben werden...

Keine Zeugnisse,
Keinen Abschlußball der 9 Klassen der Stadt, 
kein Abitur,
keinen Führerschein,
keinen ersten Freund,
keine erste Wohnung,
kein Studium und schon gar kein Enkelkind...

Und das ist auch unser Schrecken, welchen wir selber nicht verdrängen wollen, auch wenn es bequemer wäre...

...Nun kann sich jeder Gast entscheiden...


Johannas Papa meldet sich zu Wort...



08.12.2012


Wir hatten vor ca. einem Jahr den Blog offline genommen. 
Ein Jahr wurden keine Beiträge verfasst. 
Nun, nach diesem einen Jahr und jetzt nach 6 Jahren, wo stehen wir heute ?
 
- Wir konnten es nicht vermeiden, zu behinderten Eltern zu werden. Die Opferrolle haben wir allerdings bis heute nicht genommen, aber die immer wieder vorkommende Erwartungshaltung eines fremden Gegenüber wirkt sich eben so aus, dass sich die eigene Haltung auch ändert. 

Wir stecken Vieles weg, wir sind weniger tolerant und geduldig mit anderen, wir ziehen Vieles einfach durch, die planbaren Zeiten sind  viel knapper, man muss sich konditionieren und immer die Prioritätenfrage stellen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, letztlich steckt mehr Lebensqualität im Tag. Im Vergleich zu den anderen Kindern ist die Nähe von Johanna immer mit Anforderung an uns verbunden, zunehmend nehmen wir fremde Hilfe in Anspruch, um Entlastung zu haben. Hier ist wohl dann auch der Schaden zu sehen, aber kein Vergleich mit ads/adhs. Dies allein auf Johannas Grundverfasstheit zu schließen wäre nicht richtig.
 
- Johanna hat mehr Aufmerksamkeit und Sorge bekommen als alle anderen Kinder zusammen. Im Rückblick stellen wir uns öfter die Frage, was wäre gewesen, wenn wir in die Geschwisterkinder diese enorme Zeit und Fürsorge gesteckt hätten?  Wir bedauern das, bestimmt hätte man Vieles besser machen können.
 
- Johanna ist kein "liebes" Kind, Johanna ist eher „normal“: Johanna wird nun schon 6 Jahre gefordert und gefördert. Alles, was uns sinnvoll erscheint, wird gemacht. Trägheit wird nicht lange geduldet, Johanna kommt mit Bequemlichkeit nicht durch. Die Konsequenz ist wohl, dass sie nicht dem Standardvorurteil des "Liebkindseins" entspricht. Sie bestimmt auch gern und gibt den Takt an….leider ist sie dann aber auch öfter allein und bestimmt nur noch über sich selbst J
 
- Dass Johanna im Vergleich immer weiter verlieren wird…diesem Problem müssen wir uns noch stellen und hinnehmen lernen. Noch bis heute weichen wir aus und thematisieren das nicht scharf. Bis zu den allgemein messbaren Ergebnissen in der 2. Klasse werden wir uns wohl noch etwas in die Tasche lügen oder etwas mehr Gnade gelernt haben.
 
- (für religiöse Leser): Wenn ich meiner Tochter heute tief in die Augen schaue, dann ist  es nicht mehr so wie im ersten Jahr. Es stimmt schon noch, dass man die Seele nicht so gut sieht, aber Johanna ist mehr mit sich zusammengewachsen, die Leib-Seele-Einheit ist gebildet worden. Ich würde nur noch sagen, dass der Grad des Wachseins, die Präsents, nicht so hoch ist, aber einen Schleier bzw.  das Gebrochensein des Wesens kann ich nicht (mehr) erkennen.
 
-Unser Leben lohnt sich auch/besonders mit Johanna, wie mit jedem anderen Kind auch. Hier gibt es keine Unterschiede. Wir selbst sind wacher geworden. Wir gehen unseren Lebensweg nicht mehr in der Mitte, sondern am Rand, weil wir anders sind/geworden sind (…eigentlich wie jede andere Familie auch, wir wissen nur besser darum dank Johanna) . Wir stellen Vieles grundsätzlich in Frage und daraus ist Kreativität erwachsen. In unserem Fall bin ich heute froh, damals nicht vor die Abtreibungsfrage gestellt worden zu sein. Ich wäre überfordert gewesen. Vermutlich hätte ich kategorisch aufgrund der religiösen Grunderziehung Ja zu Johanna gesagt, aber ich hätte meine Antwort selbst nicht verstanden. Heute glaube ich eher, dass sich Leben ereignet und man sollte das zulassen, hinhorchen und die vorgegebene Musik mitspielen, dann kommt man in den Genuss eines guten Konzertes.  Eines ist aber ganz klar: Wenn ich heute meine Tochter anschaue, dann habe ich rückwärts gerichtet nie die Wahl oder das moralische Recht zur todbringenden Entscheidung gehabt.   

Sonntag, 9. Dezember 2012

Das Thema des Tages

 06.12.2012

...vor genau 6 Jahren waren 30 ml  Milch, die Johanna trinken musste, um nach Hause nach der Geburt, der OP und dem Krankenhausaufenthalt gehen zu dürfen...

Diese 6 Jahre sind vergangen.
Und zur gleichen Uhrzeit, wie damals bei der Visite, und zwar um 09:00 morgens, folgten wir Eltern der Einladung ins Büro des Schulleiters einer Grundschule in unserer Nähe.

Kurz gefasst: Johanna, die Mitte November geboren wurde,  darf ein Jahr Rückstellung in Anspruch nehmen. Sie wird im kommenden Sommer noch nicht eingeschult (unsere Entscheidung). Im Jahre 2014/15 wird sie voraussichtlich in der Schule ihrer Geschwister eingeschult. Wir Eltern haben bereits im Grühjahr 2012, bei der Vorschul-Vorstellung, betont, dass wir keinesfalls juristische Mittel einsetzen würden - bei jeder Entscheidung der Schule, und dass wir uns bereits nach Alternativen umgeschaut haben.

Ich habe leider kein Marmeladenglas dabei gehabt, um etwas Luft aus diesem Raum als Erinnerung mitzunehmen - aber man kann sich leicht vorstellen, was wir gefühlt haben.

Und was macht jetzt Johanna?
Johanna hat zwei neue Zähne
sie kann mit einer kleinen Hilfe gut schwimmen 
sie kann vom Rand und vom Bock ins Wasser springen
sie kann wunderbar sprechen, ihre Prädikate in den Nebensätzen sind hinten
sie singt sehr gern, kennt viele Lieder und trifft meistens die Töne (ist aber kein Gesang-Talent)
sie kann sehr präzise prickeln (Figuten ausstechen)
sie zählt sicher bis 6, unsicher bis 20
sie kritzelt ihre ersten Buchstaben
sie kann einige Kleidungsstücke alleine anziehen (keine Strumpfhosen)
sie zieht alleine ihre Matschhose und Stiefel an
sie ist im Nu im Netz
alle unsere Medien sind ihr zugänglich und werden von ihr mit Leichtigkeit bedient
wenn sie morgens vor uns aufsteht, beschäftigt sie sich ruhig alleine
wir brauchen unser Haus von innen nicht abzuschließen und verstecken keine Schlüssel
wir können gemeinsam ins Kino gehen
wir gehen gemeinsam essen
wir gehen gemeinsam einkaufen, sie hilft, die Sachen zu suchen und zu packen
sie kennt alle Filme und Characktere aus der Kinderwelt, die auch ihre Schwester mit 6 Jahren kannte
sie schnallt sich nicht ab und reißt keine Türen während der fahrt auf, auch wenn keine Kindersicherung da ist
sie kennt alle ca. 100 Personen, die sich zum gleichen zeitpunkt in der KiTa beim offenen Konzept aufhalten
sie weiß, wie man die Straße an einer Ampel überquert
sie kann Dreirad und Lernlaufrad fahren, das Zweirad übt sie
sie hilft gern beim Aufhängen der Wäsche und kann jedes Stück den Personen zuordnen
nach dem Essen ist ihr Platz nicht schmutziger als andere Sitzplätze auch
sie kann zum Briefkasten laufen und einen Brief einwerfen
sie kann beim Bäcker deutlich ihren Wunsch äußern und hat schon alleine Brötchen gekauft
sie weiß, wie man Aufzüge benutzt und merkt sich die Ziffern, welche man in einem oder anderem Gebäude braucht
sie kennt und begrüßt ihre Nachbarn
sie hat ein wunderbares Gedächtnis, was Bekannte/Verwandte/evtl. ihre Babies und Hunde angeht
sie hat ein wunderbares visuelles Gedächtnis und erkennt unsere Autos unter allen anderen
sie weiß, dass man auf Grün fahren darf und erinnert uns manchmal, wenn wir uns an der Ampel vertrödeln
sie lässt keinen Versuch aus, andere zu kommandieren
sie reitet und hilft bei der anschließenden Pflege mit, wobei sie immer daran denkt. Äpfel und Möhren mitzunehmen.....

Was aus diesen Punkten "auf dem entsprechenden Altersniveau" geschieht und was nicht, ist nicht immer leicht zu sagen... Johanna wird supportet wie kein anderes ihrer Geschwister... Wird sie, wie wir es uns versprechen, so weit sein, dass ein würdiger Arbeitsplatz von ihr besetzt werden kann?

Das wissen wir nicht. Und die Liste der Dinge, die sie nicht kann, ist auch nicht kurz. Was soll´s?
Wir arbeiten weiter daran, Tag und nacht...






Sonntag, 8. Januar 2012

In einer lauten Halle...

Das Wetter ist schlecht. Ein Orkan nach dem anderen, so vergehen schon die ganzen Wochen. Ein kurzer Spaziergang im Freien ist kaum möglich, ein Spaziergang zum Spielplatz macht keinen Sinn. Es bleibt uns nur der Indoor-Spielplatz. Die Halle ist wenige Minuten Fahrt von uns entfernt, wir sind schon bekannte Gäste. Auf die glorreiche Idee, die Kinder hier spielen zu lassen, kommen auch andere zahlreiche Eltern. Es ist sehr laut und voll, aber es ist trocken und hell. Und Johanna geht es hier super gut. Sie verschwindet und kommt nur, wenn sie etwas möchte – so kann die Mama ein wenig arbeiten oder kleine Schriftstücke verfassen, ohne zu warten, dass das Kind endlich im Bett ist.

Wir Eltern arbeiten momentan viel. Zugegeben, viel zu viel. Das Hotel, eine große wirtschaftliche Einheit, will verwaltet werden und soll ja auch funktionieren. Und wir Eltern wollen ja nicht unsere Berufe aufgeben, auf jeden Fall noch nicht. Deshalb ist eine klare Organisation von Zeiten und Prozessen angesagt, eine große Disziplin ist erforderlich, um die Tage zu bestehen. Wir hoffen, dass es mit der Zeit weniger und einfacher wird.

Johanna ist immer – oder oft - dabei, was die Sache keinesfalls leichter macht. Sie ist bis 14:00 im KiGa. Andere berufstätige Mütter bekommen eine Verlängerung des KiGa-Aufenthaltes mit einem Antrag an die KiGa-Leitung, der KiGa hat sogar einen Spätdienst, auch nach 16:00 Uhr. Uns ist eine solche Verlängerung nicht gestattet worden. Johanna gilt ja als I-Kind und unterliegt einer anderen Regelung. Ihre Zeit durfte nicht verlängert werden. Erst haben wir das hingenommen und kämpfen uns durch die Tage und Wochen, ziemlich alleine. Mit der Zeit wächst aber eine gewisse Unzufriedenheit in mir: warum werden wir, mit Johanna zusammen, so diskriminiert? Nie habe ich Leistungen der Pflegekasse in Anspruch genommen. Eine große Summe hat sich im Jahr angesammelt. Soll ich nun wirklich einen Pflegedient in Anspruch nehmen und die ganze Summe „auf den Kopf hauen“? Und zwar genau in den Zeiten, die als „normale“ KiGa-Zeiten gelten: von 14:00 bis 16:00 Uhr? Wenn es nun nicht mit der Erziehung unter und mit Gleichaltrigen geht, dann wird das wohl eine„1-zu-1-Betreuung“ sein… aber leider schön teuer… ich hätte gern alles anders gehabt…

Johannas Entwicklung, die sich von einer zu anderen Trotzphase bewegt, lässt uns zumindest momentan keine großen Sorgen aufkommen, dass sie an unserer intensiven Arbeit außerhalb der Familie leidet. Die Pflegeberaterin der Krankenkasse, die uns halbjährlich aufsucht, fand, dass Johanna enorme Fortschritte gemacht hat. Das hören wir von unseren Freunden, Nachbarn, Therapeuten… Johanna spricht viel und gern, sie erzählt kleine Geschichten, die man immer besser verstehen kann. Sie reflektiert über Ereignisse, sie hat ein gutes Namensgedächtnis, sie beherrscht alle in ihrem Alter notwendigen „Höflichkeitsaussagen “ und setzt sie gezielt und passend ein. „Auf Wiedersehen!“, „Danke, dass du geholfen hast“, „Bis bald!“, „Viel Spaß!“, „Hallo, ich bin das!“, „Bitte schön!“, „Kannst Du helfen?“ etc.

Sie kommt mit vielen technischen Neuanschaffungen klar. Sie ist der größte iPadFan, im WLan-Bereich ist sie in wenigen Minuten im Internet, sie surft sich ihre kleinen You-Tube-Filmchen zurecht, kann sich eine CD/DVD starten, mithilfe der Hotel-Telefonanlage kann sie sich mit ihren lieben Menschen „verbinden“… Einiges gefällt uns, Einiges gefällt uns in dieser multimedialen Welt eher weniger – aber wenn sie mich im Hotel anruft: „Mama, ich habe schon wieder Quatsch gemacht!“- und berichtet, dass sie sich eingeschlossen hat, mit Feuer gespielt hat, sich abgeschnallt hat, sich im Baumarkt versteckt hat, weiß ich, dass der Papa es nicht leicht hatte und trotzdem nicht ganz unglücklich war :-)

In Johannas Zahlenwelt ist die Zahl „2“ seit einigen Monaten bereits dabei. Ich berichtete, dass sie fehlte. Ich verpasste den Moment, als sie plötzlich da war. Sonst kann Johanna bis 20 zählen – wörtlich (ich glaube nicht, dass sie alle diese Zahlen ab 11 wirklich erfassen kann), bis 8, wenn sie konkrete Gegenstände Reihe nach zählt, und bis 5 Gegenstände kann sie visuell erfassen und dann die Zahl nennen.

Johanna kennt einige Buchstaben und ihre Position auf der Tastatur, das „Schreiben“, wenn sie mit dem Stift versucht, ist eher eine Reihe von Zacken, die Ausprägung einzelner Buchstaben ist noch eine ferne Zukunft.

Nun zu unserer momentanen Situation – ich meine die letzten 15 Minuten… Die Ondoor-Halle ist voll. Im Cafe-Bereich um mich herum sitzen Dutzende von Müttern. In meiner Ecke habe ich keinesfalls ihr Interesse erweckt. Eben war Johanna bei mir. Sie wollte etwas trinken, dann erzählte sie, wo sie war, und bat mich, mit ihr zusammen zu rutschen. Das habe ich dann auch 3 Mal gemacht. Als ich zurück zu meinem Stuhl ging, bemerkte ich mehrere verstohlene Blicke. Plötzlich musterten mich die Damen… mich, die „behinderte“ Mutter… diese Blicke kenne ich schon und bin bereits abgehärtet. Nun muss ich hier sitzen und noch einige Minuten das ertragen – bis ein weiteres „spannendes“ Objekt gefunden wird…

Mein Kind ist in dieser Zeit glücklich und ausgelastet

und es wird mir ein relativ langer freier Abend versprochen.