Sonntag, 8. Januar 2012

In einer lauten Halle...

Das Wetter ist schlecht. Ein Orkan nach dem anderen, so vergehen schon die ganzen Wochen. Ein kurzer Spaziergang im Freien ist kaum möglich, ein Spaziergang zum Spielplatz macht keinen Sinn. Es bleibt uns nur der Indoor-Spielplatz. Die Halle ist wenige Minuten Fahrt von uns entfernt, wir sind schon bekannte Gäste. Auf die glorreiche Idee, die Kinder hier spielen zu lassen, kommen auch andere zahlreiche Eltern. Es ist sehr laut und voll, aber es ist trocken und hell. Und Johanna geht es hier super gut. Sie verschwindet und kommt nur, wenn sie etwas möchte – so kann die Mama ein wenig arbeiten oder kleine Schriftstücke verfassen, ohne zu warten, dass das Kind endlich im Bett ist.

Wir Eltern arbeiten momentan viel. Zugegeben, viel zu viel. Das Hotel, eine große wirtschaftliche Einheit, will verwaltet werden und soll ja auch funktionieren. Und wir Eltern wollen ja nicht unsere Berufe aufgeben, auf jeden Fall noch nicht. Deshalb ist eine klare Organisation von Zeiten und Prozessen angesagt, eine große Disziplin ist erforderlich, um die Tage zu bestehen. Wir hoffen, dass es mit der Zeit weniger und einfacher wird.

Johanna ist immer – oder oft - dabei, was die Sache keinesfalls leichter macht. Sie ist bis 14:00 im KiGa. Andere berufstätige Mütter bekommen eine Verlängerung des KiGa-Aufenthaltes mit einem Antrag an die KiGa-Leitung, der KiGa hat sogar einen Spätdienst, auch nach 16:00 Uhr. Uns ist eine solche Verlängerung nicht gestattet worden. Johanna gilt ja als I-Kind und unterliegt einer anderen Regelung. Ihre Zeit durfte nicht verlängert werden. Erst haben wir das hingenommen und kämpfen uns durch die Tage und Wochen, ziemlich alleine. Mit der Zeit wächst aber eine gewisse Unzufriedenheit in mir: warum werden wir, mit Johanna zusammen, so diskriminiert? Nie habe ich Leistungen der Pflegekasse in Anspruch genommen. Eine große Summe hat sich im Jahr angesammelt. Soll ich nun wirklich einen Pflegedient in Anspruch nehmen und die ganze Summe „auf den Kopf hauen“? Und zwar genau in den Zeiten, die als „normale“ KiGa-Zeiten gelten: von 14:00 bis 16:00 Uhr? Wenn es nun nicht mit der Erziehung unter und mit Gleichaltrigen geht, dann wird das wohl eine„1-zu-1-Betreuung“ sein… aber leider schön teuer… ich hätte gern alles anders gehabt…

Johannas Entwicklung, die sich von einer zu anderen Trotzphase bewegt, lässt uns zumindest momentan keine großen Sorgen aufkommen, dass sie an unserer intensiven Arbeit außerhalb der Familie leidet. Die Pflegeberaterin der Krankenkasse, die uns halbjährlich aufsucht, fand, dass Johanna enorme Fortschritte gemacht hat. Das hören wir von unseren Freunden, Nachbarn, Therapeuten… Johanna spricht viel und gern, sie erzählt kleine Geschichten, die man immer besser verstehen kann. Sie reflektiert über Ereignisse, sie hat ein gutes Namensgedächtnis, sie beherrscht alle in ihrem Alter notwendigen „Höflichkeitsaussagen “ und setzt sie gezielt und passend ein. „Auf Wiedersehen!“, „Danke, dass du geholfen hast“, „Bis bald!“, „Viel Spaß!“, „Hallo, ich bin das!“, „Bitte schön!“, „Kannst Du helfen?“ etc.

Sie kommt mit vielen technischen Neuanschaffungen klar. Sie ist der größte iPadFan, im WLan-Bereich ist sie in wenigen Minuten im Internet, sie surft sich ihre kleinen You-Tube-Filmchen zurecht, kann sich eine CD/DVD starten, mithilfe der Hotel-Telefonanlage kann sie sich mit ihren lieben Menschen „verbinden“… Einiges gefällt uns, Einiges gefällt uns in dieser multimedialen Welt eher weniger – aber wenn sie mich im Hotel anruft: „Mama, ich habe schon wieder Quatsch gemacht!“- und berichtet, dass sie sich eingeschlossen hat, mit Feuer gespielt hat, sich abgeschnallt hat, sich im Baumarkt versteckt hat, weiß ich, dass der Papa es nicht leicht hatte und trotzdem nicht ganz unglücklich war :-)

In Johannas Zahlenwelt ist die Zahl „2“ seit einigen Monaten bereits dabei. Ich berichtete, dass sie fehlte. Ich verpasste den Moment, als sie plötzlich da war. Sonst kann Johanna bis 20 zählen – wörtlich (ich glaube nicht, dass sie alle diese Zahlen ab 11 wirklich erfassen kann), bis 8, wenn sie konkrete Gegenstände Reihe nach zählt, und bis 5 Gegenstände kann sie visuell erfassen und dann die Zahl nennen.

Johanna kennt einige Buchstaben und ihre Position auf der Tastatur, das „Schreiben“, wenn sie mit dem Stift versucht, ist eher eine Reihe von Zacken, die Ausprägung einzelner Buchstaben ist noch eine ferne Zukunft.

Nun zu unserer momentanen Situation – ich meine die letzten 15 Minuten… Die Ondoor-Halle ist voll. Im Cafe-Bereich um mich herum sitzen Dutzende von Müttern. In meiner Ecke habe ich keinesfalls ihr Interesse erweckt. Eben war Johanna bei mir. Sie wollte etwas trinken, dann erzählte sie, wo sie war, und bat mich, mit ihr zusammen zu rutschen. Das habe ich dann auch 3 Mal gemacht. Als ich zurück zu meinem Stuhl ging, bemerkte ich mehrere verstohlene Blicke. Plötzlich musterten mich die Damen… mich, die „behinderte“ Mutter… diese Blicke kenne ich schon und bin bereits abgehärtet. Nun muss ich hier sitzen und noch einige Minuten das ertragen – bis ein weiteres „spannendes“ Objekt gefunden wird…

Mein Kind ist in dieser Zeit glücklich und ausgelastet

und es wird mir ein relativ langer freier Abend versprochen.