Freitag, 17. Juli 2009

Ein Tag in Pungsan...

ich erzähle mal davon... am 05.02.2010 :-)

Wenn ich schon einen ganzen Tag schulfrei bekommen habe, habe ich mich entschieden, ein wenig meine "to do" - Liste abzuarbeiten... Der Alltag ist sonst so voll, dass man kaum Zeit hat, das Notwendigste zu erledigen, die Reiseberichte habe ich erst "aufs Eis" gelegt... schade...
Unsere Erinnerungen an die Asien-Reise sind aber eigentlich sehr, sehr frisch, auch wenn die Reise ein Stück zurück liegt...

Dieser Bericht gehört zum Datum 16.07.2009, da werde ich ihn nach einiger Zeit platzieren.


***
Das war unser Tag 11 der Reise, wir kamen im kleinen Ort Pungsan an und wollten gerade unseren ersten Morgen anfangen. Die noch verschlafene Verkaufsstraße, ganz im Nebel, versprach noch keine Sehenswürdigkeiten... am gestrigen Abend haben Maria und ich uns hier verlaufen - es ist kein Wunder, alles sah und sieht hier gleich aus...Der Supermarkt bot viele unbekannte Dinge an, so kam der Papa auch mit. Wir kauften uns etwas Brot und Joghurte und leider keine unbekannten Dinge und wollten ins Hotel gehen. Johanna hatte noch den Oberteil von ihrem Schlafanzug an. Erst wurden wir auf der Straße von drei älteren Frauen angesprochen - sie wollten das Baby sehen und ALLES wissen - wieviele Kinder wir sonst hätten, wo sie sind, wie alt etc. Die Familienangelegenheiten scheinen hier eine wichtige Sache zu sein... Wohl gemerkt, sie sprachen kein Englisch und wir - kein Koreanisch... Die Hand von Johanna schien einer Frau ziemlich dick zu sein - sie griff nach meiner Hand, untersuchte sie, dann schaute auf Papas Hände - und war offensichtlich zufrieden...

Eine männliche Stimme sprach uns von hinten an - ein Mann begrüsste uns auf Englisch, stellte sich vor und berichtete, dass er hier weit und breit der Einzige sei, mit dem wir Englisch sprechen können. Er arbeitet als Steuerbeamter. Er freut sich immer, wenn er die Möglichkeit hat, Englisch zu sprechen. Wenn wir warten würden, wird er uns zu zwei Sehenswürdigkeiten dieser Gegend mit seinem Auto fahren, seine kleine Aufgabe für heute dauert nur noch eine halbe Stunde.
Wir haben uns über sein Angebot sehr gefreut und setzten uns zum Frühstück im Garten der Stadtverwaltung hin.
Ins Hotel wollten wir nicht gehen, meine Baby-Tasche war wie immer dabei - den Rest... brauchten wir nicht, am Tag 12 außer Zuhause waren wir etwas ruhiger, auch wenn etwas fehlte. Dass Johanna immer noch im Schlafanzug war, war unwichtig: es verwischten sich hier viele Grenzen und Unterschiede...

In einer halben Stunde war unser Mr. Lee da. Sein Chef war auch dabei, Mr. Lee stellte uns ihm vor - nun konnte er in seiner Arbeitszeit die seltenen Ausländer begleiten.

Der Weg durch die Reisfelder brachte uns zu einem Berg, auf dem eine Klosterschule sein sollte. Mr. Lee besuchte in seiner Kindheit diese Schule, die jetzt leider nur ein Museum ist. Die Straßen waren weich und zum Teil unterspült, da staunten wir noch. Klar, nach den gepflegten japanischen Straßen war das ein desolater Zustand... wir wussten noch nicht, was in Tibet auf uns zukommen wird. :-)

Hier ist er, unser Mr. Lee - er ist 40 Jahre alt, ein Staatsbeamter, hat zwei Kinder, 9 und 11 Jahre. Wir haben viel gesprochen, und das Thema Kinder und die Erziehung war für ihn ganz wichtig. Als er erfuhr, dass wir bereits ältere Kinder haben, fragte er uns nach den pubertären Entwicklungszügen, nach der Wichtigkeit der traditionellen Erziehung, nach Autoritäten in der Familie... Wir verstanden, dass er und seine Familie - wie das ganze Land vielleicht - an einer Schwelle stehen - zwischen den Traditionen, hier noch ländlich und mit mehr Stabilität, und der ganzen globalen Welt, die durch alle modernen Medien hineinströmt, die Traditionen bedroht und die Kinder "verseucht".

Tja, in seiner Kindheit, als er hier gesessen hatte und dem Lehrer zugehört hatte, war es hier alles ganz anders... Die Gründer dieser Konfuzianischen Klosterschule haben sich wohl überlegt, dass man hier schon als stiller Beobachter viel lernen kann: der Fluß, der Himmel, die Berge und die Weite - das Bewegliche, das Ewige, das Unerreichbare - alles in einem und alles von einem Punkt im Klassenzimmer zu sehen...

Die alten Holzdielen sind 6 bis 7 cm dick, sie sind aufpoliert von vielen Generationen der Schüler, die hier natürlich nur barfuß laufen durften...



Mr. Lee erzählte uns, was in den einzelnen Häusern war. Die Anlage gehört jetzt zum Weltkulturerbe und wird gut gepflegt.
Man kann natürlich nichts gegen die Feuchtigkeit tun, die Kletterpflanzen würden hier schnell alles erobern...

Johanna, die die Erlaubnis bekam, mit ihren Schuhen herum zu laufen, genoss die Freiheit. Ich genoss sie auch: alles ist wunderbar sauber, überschaubar und weit weg kann sie sowieso nicht laufen.


Diese schwarzen Aufsätze auf den Dachrinnen vermutete ich aus Gußeisen zu sein - nein, das ist alles Keramik, schwarze schwere Keramik, aus der auch große Tontöpfe gemacht werden, in denen Koreaner ihr eingelegtes Gemüse zubereiten.



Es fing an zu regnen. Man musste sich ein wenig überwinden, um nicht anzufangen, sich vom Regen zu schützen - und dann fühlte man sich viel besser.
Mr. Lee verstand nichts von Johannas Besonderheit, er fand sie einfach hübsch.

In der Zwischenzeit belegte eine Bildungs -Reisegruppe den zentralen "Vorlesungssaal" - nur ein Haufen Schuhe aller möglichen Marken zeigte, dass wir uns hier in einer sehr globalisierten Welt bewegen.

Leider war unsere Zeit hier in der Klosterschule schnell vorbei. Ich wäre gern länger geblieben, aber Mr. Lee wollte uns noch zur zweiten Sehenswürdigkeit fahren und dann sich verabschieden.
Er erklärte uns, dass Unesco hier in der Gegend einige Projekte unterstützt, so entstand ein Museumsdorf. Es ist nicht viel los zu dieser Jahreszeit, aber wir können trotzdem viel sehen. Den Weg zurück mit dem Bus können wir leicht organisieren...

So blieben wir im Regen vor diesem Schild stehen:

Schon der erste Blick versprach viel: egal, ob es nur für Touristen alles gebaut wurde, die Menschen um uns herum waren das Interessanteste.

Es regnete. Johanna hatte keinen Regenschutz, dafür den Pijama an, wir erlaubten ihr ohne Schuhe zu laufen. Sie fand das toll - bis eine Asphaltdecke kam, die nicht so fußfreundlich war... Aber sonst läuft sie gut, wenn man bedenkt, dass sie zur Zeit, mit 2,5 Jahren, ihre ersten Schritte macht, noch sehr unbeholfen manchmal...Unter einem Dach saßen vier Frauen und aßen Obst. Sie riefen Johanna zu sich. Wir beobachteten, was sie wohl machen wird -
sie ging.

Und schon saß sie bei einer Frau auf dem Schoß und eine Honigmelone wurde für sie geholt und aufgeschnitten.

Wir blieben unter dem Dach sitzen. Die Frauen, die im Stehen kleiner waren als Maria, meinten erst, dass Maria die Mutter des Babys wäre. Marias noch kindliche Gesichtszüge haben sie nicht wahrgenommen - wir merkten, dass sie unsere Gesichter nicht "aufnehmen" können - so wie wir die ihren... Die Frauen - davon drei Schwestern - wollten auch ALLES wissen, dazu kam noch die 90-jährige Mutter und wollte ebenso ihre Fragen stellen. Wir erfuhren, dass ihnen eines der Restaurants hier gehört - und wir haben uns vorgenommen, bei ihnen in der Mittagszeit zu essen...

Aber erst wollten wir uns das Dorf anschauen. Wie jedes Freilichtmuseum, hatte es alles, was ein Menschenleben früher herstellen konnte...

Eine Reisegruppe war im Dorf unterwegs. Das "Küchen - Team" der Gruppe war fleißig: es ist offensichtlich gar nicht unüblich, dass man sich selbst aufwändig verpflegt - mit einem Ofen, mit einem Grill, mit einem Riesentopf, in dem man eine frische Suppe aus frischen Zutaten zauberte... Ich fragte mich nur, wieviele Personen diese Töpfe aufessen sollten...

Die anderen Besucher saßen in solchen kleinen Häuschen und speisten gemütlich - das wollten wir später auch machen.

Es regnete stärker. Ein Gebäude, das als Maskenmuseum ausgeschildert wurde, bot uns Schutz an - und zeigte uns Masken aus aller Welt...









Nach dem Museum hatten alle Hunger. Wir gingen zu "unseren" Frauen.
Was für ein Essen!
In der Mitte ist eine Platte aus Hänchen mit Gemüse,

Um die Platte herum stehen 7 Arten der Vorspeisen: eingelegte Algen, trockene Tintenfischstreifen, das Helle da unten sind ein Paar Tausend kleinster trockener Fische, eingelegte Knoblauchzehen, Omelett mit Zitronengras, eingelegte Aubergine und eingelegte Zitronengrasstengel. Dazu bekamen wir Reis.


Die Oma des Hauses beobachtete von ihrem als Podest gefertigtem Sitzplatz, wie Johanna aß. Es war ihr zu langsam. Sie stand auf, ging zu uns und ohne uns groß zu fragen, fing an, Johanna zu füttern. Hier auf dem Foto sieht man, wie klein die Dame ist - sie ist vielleicht doppelt so groß wie Johanna damals, so um 1, 40 m...
Alle vier Frauen winkten uns lange, als wir gingen...

Die Regenzeiten fingen vor kurzem an, alles blüht - auch diese Mimosenbüsche,

die die schönsten Schmetterlinge anlocken.





Wir warteten auf unseren Bus - an der Haltestelle ist auch ein Häuschen auf Stelzen aufgebaut worden, die Menschen ziehen ihre Schuhe aus und gehen dorthin schlafen oder warten und ruhen sich aus. Die dünnen Liegematten gehören zu Aussatttung jedes Touristen hier. Sie kommen immer wieder zum Vorschein - dick, dünn, gerollt, aber immer etwas dabei. Wir hatten natürlich nichts mit, aber das Holz war auch ohne Matten angenehm trocken und warm.

Diese junge Frau aus dem Touristenbüro sprach uns während unseres Ganges an. Jetzt sah sie uns dort sitzen, wartete eine Weile mit uns und wollte uns verabschieden. Erstaunlicherweise gehörte sie plötzlich zum Kreis der "Auserwählten" bei Johanna - Johanna wollte sie umarmen, was sie sonst sehr, sehr selten macht. Kann die Frau "Engel sehen?" Kann Johanna "Engel sehen?"


Auf dem Weg nach Pungsan sahen wir aus dem Bus viele Schulkinder, die gerade nach Hause gingen. In einer Gruppe bemerkte ich zwei behinderte Schüler, die mit der gleichen Uniform aus dem gleichen Schulbus ausgestiegen sind.



Mein Auge fixierte automatisch kleine Cafes, in denen wir unser Abendessen bekommen könnten - diese ungewollte Funktion meiner Augen hat sich im Laufe der Reise immer wieder eingeschaltet, ich konnte sie nicht abstellen :-)

Und als der Abend kam und wir nach einem langen Tag etwas essen wollten, kauften wir uns eine koreanische Spezialität: gebackene mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, frischen Kohlsalat, eingelegte Rettich-Scheiben und eine würzige Soße - soetwas gibt es in unserer häuslichen Umgebung nicht.

Der Papa hat in der Zwischenzeit versucht, Nachrichten zu hören. Nein, keine Möglichkeit. Nur koreanische Kanäle, viele historische Filme, viele Kochprogramme, viele Sportkanäle. Den Kanal 2 bat er Maria, nicht anzuschalten - das war schon ein wenig komisch, sehr freizügige Filme mitten am Tag...
Johanna klickte nach der Dusche auch ein wenig durch - und fand sich ein "passendes" Programm - beruhigende Yogaübungen für Frauen.

Sie machte auch fleißig mit - da bei ihr diese Fähigkeiten ja sowieso vorhanden sind... So endete unser Tag in Pungsan.

Morgen fahren wir nach Seoul und lassen uns von dieser Stadt überraschen. Ein Hotel haben wir noch nicht, aber eine gewisse Angst, keine Unterkunft zu bekommen, verlieren wir langsam - irgendwo wird schon ein Hotelzimmer für uns geben. Vor der Fahrt brauchen wir morgen noch Windeln - mal sehen, was der Supermarkt hier bietet...


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