Samstag, 14. März 2009

Das Paar Nr. 1

Diese Schuhe sind die kleinsten, sie stehen im Regal unter der Nr. 1.
Sie haben die Grösse 23 und sind uns ein wenig zu groß.
Egal, wir probieren es damit aus.
Unsere kleine Sportlerin schaut neugierig zu.
Die Schuhe müssen getestet werden...hart... Der Boden muss getestet werden... kalt...
Man bedenke: sie kann ja nicht laufen. Sie kann nur stehen. Wir versuchen, sie aufzustellen. Es geht. Sie kann sogar auf dem Holzboden damit laufen, wenn auch wackelig, und macht einfach mit.
Ich, heute die einzige Erwachsene, fahre mit Johanna. Ihre Aufgabe ist, nur sich schieben zu lassen und ein Gefühl für das Eis, für das leichte Gleiten und für die Spannung in den Knöcheln zu entwickeln.
Ich halte sie an der Brust, sie lässt sich natürlich gern hängen... Ich merke, dass ich mich körperlich ziemlich übernehme, sie ist schwer, ich muss das Gleichgewicht für uns beide halten und eine Nummer Sicherheit mehr anlegen, da ich von hinten rasende Jugendliche höre...
Es gab endlich eine Eispause. Das Eis wird aufgefrischt, wir bleiben sitzen...
Bei dieser sportlichen Leistung und dem Durchhaltevermögen darf sie eine Hanu-- ganz alleine essen.
Jugendliche, die neben uns sitzen, sagen sich erstaunt - "Schau mal, Baby!". Ein Jugendlicher fragt, was das für eine Schlittschuhgrösse wäre. 23? Gibt es sowas? Ich befinde mich eigentlich in einer Gesellschaft, die so um 13-14 Jahre alt ist - so wie jeden Vormittag... Ich kann mich mit all den Heranwachsenden wunderbar unterhalten. Vier Mädchen schauen Johanna zu. "Was für kleine Schühchen!", "Ich hätte so gern eine kleine Schwester!" Maria schaut nachdenklich hin. "Sie wissen vielleicht nicht, wie nervig das sein kann..." Marias Freundin weiß das auch...

Johanna freut sich total, Aufmerksamkeit und Gesellschaft zu haben. Die Jugendlichen scheinen ihre Besonderheit nicht zu bemerken... Sie denken, sie sei ein Baby - vielleicht, sind alle Babys so...
Zum Ende hatte ich keine Kraft mehr. Ich stellte fest, dass meine Uhr stehen blieb und dass wir bereits länger als 2,5 Stunden dort sind... Wir, vier kleine und große Frauen, waren totmüde.
Warum mache ich das?
Ich habe das Gefühl, Johanna jetzt und sofort und alles auf einmal zeigen zu müssen.
Ein Badeanzug gehört auf den Körper, wenn man ins Wasser geht.
Und ins Wasser geht man genauso selbstverständlich wie auf eine Schaukel. Aus dem Wasser geht man heraus, wenn man auf Toilette muss...
Wenn man nicht laufen kann, kann man mit einem Laufrad, einem Bobby-Car, einem Dreirad das Gefühl für die aufreche Körperhaltung bekommen... das Sitzen im Sattel gehört auch dazu.
Pferde, Hunde und Katzen sind selbstverständliche Begleiter.
Wenn die Mama mit dem Fahrrad unterwegs ist, gehört das Kind auf den Kindersitz und muss dort klar kommen.
Im Auto gibt es einen Kindersitz, und das Kind muss dort schön sitzen bleiben und keinen Quatsch machen...
Eine Toilette, ein Waschbecken, eine Zahnbürste sind gegenstände des alltäglichen Gebrauchs.
In einer Luftburg braucht man keine Angst zu haben, sonder hüpfen, eine Kettensäge ist laut, wie auch ein Saxophon, der Staubsauger saugt auch die Finger ein...
Der Kamin ist heiss und die Schlittschuhe gehören auf die Füsse wie alle anderen Schuhe auch...
Ich habe Angst, im Johannas jungen Alter etwas zu verpassen, was ihr und uns später Schwierigkeiten bereitet und ihren und unseren Alltag einschränkt.

Es ist Schade natürlich, und es ist mir wohl bewusst, dass ich unter einem großen Druck stehe, einer Art Leistungsdruck, den ich bei den anderen Kindern nie hatte.
Es ging ja alles so wunderbar selbstverständlich...

Ich bin gespannt, wann Johanna das Paar Nr. 2 aus den Beständen der Osnabrücker Eishalle anprobieren darf...

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