Samstag, 8. Mai 2010

Samstag in Norwegen: Teil 1. "Warm"

/veröffentlicht mit Verspätung/

Der sonnige Morgen hat uns schnell aus den Betten geholt. Der Streß des vergangenen Tages lag weit hinter uns, die trübe verstopfte Autobahn von gestern schien hier im Wald wie ein schlechter Traum. Johanna lief nach draußen, sie und Maria spielten im Hof, wo es keine Autos etc. gab - was für ein Luxus. Alles war sooooo still! Man wollte nicht mal mit dem Ball auf den Boden aufschlagen, um diese Stille nicht zu stören. Die Schilder in der Umgebung warnten vor Elchen, aber eine solche Begegnung wäre zu schön um wahr zu sein :-) Die Buschwindröschen, überall, wo nur das Auge reicht, und die vielen kahlen Steine, alles in gedämften Tönen, bildeten eine besondere Stimmung.
Der Papa war bereits am PC im Aufenthaltsraum, er erkundigte sich nach dem Wetter und brachte in seiner Kleidung einen kräftigen Kaffee-Geruch mit. Eine Frühstücksbox mit unserer Zimmernummer wartete auf uns im Kühlschrank des Frühstücksraums sowie Tüten mit Milch und Orangensaft. Na was gibt es denn zum Frühstück? (wir haben diese Frage in vielen Ländern gestellt, und erstaunlicherweise hat man uns diese Frage zu Hause auch oft gestellt, wenn wir von unseren Reisen berichteten. Die Deutschen finden das Frühstück einfach wichtig. :-) )
Also, es gibt: Käse, Frischkäse und Schmelzkäse in allen möglichen Richtungen, mit Garnelen, Schinken oder Kräutern, gegarten Lachs, noch einen anderen gegarten Fisch, einen Heringssalat, noch einen anderen Fischsalat, Heringskaviar, Leberwurst, Nutella, Butter und eine norwegische Käsespezialität: mit Zucker eingekochte Milch, die dann zum Käse wird. Klassisches Müsli gab es auch. Johanna hat sich vorbildlich benommen und sehr fein gegessen, wir brauchten keine Lätzchen ö.Ä., sie kam auch mit dem großen Becher zurecht.

Dies sollte für heute das Ziel unserer Tagesreise sein: Rjukan, der Wasserfall, der mächtigste im Norden, die Energiequelle für die Herstellung des "Schweren Wassers" - wer sich informieren möchte, kann bei Wiki ganz viele interessante Dinge nachlesen.
Und so sollte für heute die Tour aussehen: zum Wasserfall, dann einen Abstecher in die Berge, dann einen anderen Weg zurück.
Auf dem Weg bewunderten wir die kleinen Höfe und Siedlungen, in denen überall Holzhäuser in creme, rot-braun, kirsch oder blau standen. Es gab kaum grüne Felder, der Boden ist schwer, mit Lehm, die Bauern haben überall mit Kompost etc. "nachhelfen" müssen. Es gab kaum Tiere draußen, nur wenige Schafe und Pferde, Kühe haben wir an diesem Tag nicht gesehen.

An dieser Kirche haben wir eine kleine Pause gemacht. Sie war zu, sie wird geöffnet nur jede vierte Woche, erzählte der Friedhofspfleger. Die Kirche gehört zu 28 ältesten Stabkirchen in Norwegen und stammt aus dem 12. Jahrhundert. Ob sie schon mal restauriert worden war, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Es gab eine kleine Beschreibung, aber nur in der norwegischen Sprache... Tja, dann müssen wir zu Hause nachlesen...Wenn sie aber aus dem 12. Jahrhundert stammt, wo sind dann alle alten Gräber?!!!
Der Friedhofspfleger erzählte uns, dass es eine neue Regelung gibt, nach der die Gräber nach 20 Jahren abgeräumt werden, es sei denn, die Verwandten zahlen weitere 20 Jahre. Das kennt man auch in Deutschland so, mit 25 Jahren, aber was ist dann mit historischen Gräbern? Die alt-Verstorbenen können leider kein Wörtchen mehr mitreden...

Vor der Kirche fanden wir, wie bereits gestern in Tonsberg, eine Tafel mit den daten 1940-1945 und den Namen der Gefallenen in der Kriegszeit. Die Norweger haben diese Daten also ziemlich present. Heute ist der 8.Mai (deutscher Kriegsende-Tag), morgen ist der 9.Mai (russischer Siegestag) - werden wir hier etwas davon überhaupt merken, außer ein paar Namen?

Die Kirche war wirklich ein besonderer Bau, auf einem Steinfundament, aber sonst komplett aus Holz, auch das Dach. Wie alle Stabkirchen hatte sie ein bestimmtes "Baumuster", es gibt solche im Norden Russlands, sie spiegeln die alten Bauweisen wieder, die an der "Grenze" zwischen dem Heidnischen und dem Christlichen lagen.

Ich war froh, dass wir unsere Winterjacken mit uns hatten. "Warm" ist hier relativ.
Wir wollten an diesem Tag irgendwo picknicken und kauften ein. Wer sich über das Steuersystem in Norwegen informieren möchte, kann googeln, wir hatten eine direkte Möglichkeit, dies auf eigenem (Leib), na, Geldbeutel, zu erfahren. Die norwegischen Supermarktketten (andere gab es nicht) machen ihre Läden bereits ab 07:00 auf und schließen um 23:00, am Samstag um 21:00. Die Preise entsprechen den 5-fachen deutschen. Ein Euro sind 7,5 Kronen, eine Tüte Pulversuppe kostet 17 Kronen, ein Brötchen 10 Kronen, Äpfel etwa 25 Kronen pro kg.

Gleich hinter dem Ortsende konnte man eine wunderschöne Landschaft sehen, ein Riesenparkplatz an einer Schleuse und ein geschlossenes Restaurant zeigten, dass die Reisesaison vielleicht noch gar nicht begonen hat.
Die Schneereste waren noch überall, diese Wiese entpupte sich als gefrorenes Moor, ich musste mich schnell auf diese Steininsel "retten", auf der Vieles zu entdecken gab - die Moose, ganz unterschiedlich in den Strukturen, wachen auf nach dem Winter.

Auch solche "Spuren" habe ich entdeckt - dann sind die Elche hier doch ziemlich verbreitet, ich bin noch keine 3 Minuten im Wald :-)
Der nächste Hof ist ja unmittelbar an der Straße, die Elche müssen wohl hier keine Angst haben.

Das sind die Buschwindröschen, in Norddeutschland nicht so oft zu sehen.
Es ist warm, aber diese Wärme haben wir u.A. unseren Winterjacken zu verdanken. Im Wald sind viele Waldbeerenbüsche zu sehen, im August gibt es bestimmt reichlich zu pflücken - und eine Menge an Mücken zu erwarten - da wird keine Marmelade zu einem leichten Job :-)
Nach einer kurzen Fahrt sahen wir diese Landschaft -

... kein Foto kann die wirklichen Farben darstellen...
Der See war still, die Ufern menschenleer, ein kleines Boot mit einem Menschen - das war alles, was man überhaupt sehen konnte...

Hier machten wir eine Pause. Diesmal kletterte Johanna auch mit, man musste nur ein wenig helfen.

Einen solchen Blick genießen wir nicht jeden Tag... Das, was wir für einen kleinen Parkplatz hielten, war eigentlich eine Zufahrt zum Hof, der am Ufer lag. Und war dementsprechend privat... was wir nicht sofort verstanden haben... Die Bewohner haben uns beim Herausfahren nicht mal angeschaut... was wir in diesen Tagen immer wieder erlebt haben. Man schaut sich kaum an. Das Begrüßen von Fremden, wie man z.B. bei einer Begegnung im Wald o.Ä. in Deutschland kennt, ist hier offensichtlich unüblich.

Der Hof hatte auch ein solches Haus auf Stelzen
und eine Menge an Holz, das man überall auf dem Land in solchen Paletten liefert.


Ein solches Bild würde vielleicht in keine Gallerie passen - was ist besonderes dabei? Es ist einfach: Johanna trinkt aus einer neuen Flasche, ihre Hand-Augen-Mundmotorik-Koordination stimmt. Und wann hat sie mit dem Üben angefangen? Damals war es wirklich warm, und den alten heißen Steinen und der Kleidung haben ihre ersten Versuche nichts ausgemacht.


Unser Weg nach Rjukan brachte uns erst zu einem Freilichtmuseum, in dem wir uns eine Vorstellung machen konnten, wie die Siedlungen noch vor Kurzem wirklich aussahen. Altes verwittertes Holz, dicke Balken, keine sanften Töne... - und die Häuschen auf Stelzen, die die Lebensmittelvorräte frisch, kühl und (Mäuse)sicher aufbewahren sollten. Sie waren eine Überlebensgarantie und waren deshalb kleine Prachtbauten - für deren Verzierung war die Zeit nicht zu schade. Nun wissen wir, was genau wir überall gesehen haben.
Und sonst baute man eher schlicht und lebte ganz einfach. Wir haben nicht in Erfahrung bringen können, wie gut die modernen Holzhäuser gedämmt sind und was sich unter der hübsch gestrichenen Bretterverkleidung befindet.

Aber die Sehensucht der Menschen nach Wärme und Licht konnten wir erleben - ob bei den Motorradfahrern, bei den vielen Cabrios, z.T. ganz alten Schätzchen, oder bei den Kindern, die mit kurzen Hosen draußen spielten.

Es wird nach einer Pause weiter gehen - zum Schweren Wasser, zum kalten Wasser und zum noch gefrorenen Wasser...

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