Sonntag, 15. Juli 2007

Gedanken zur Kulturgeschichte

Man muss schon ganz besondere Interessen haben, wenn man in Deutschland sagen kann, man wisse, was ein Mensch Namens Juri Rytcheu gemacht hat. Bis heute habe ich nur eine junge Frau kennen gelernt, die alles, aber dann wirklich alles von ihm wusste. Juri Rytcheu (bei Wikipedia) war nämlich ein Tschuktscha und ein Schriftsteller, der sein Tschuktscha-Volk (wie Eskimos) aus den Zeiten so ungefähr wie Steinzeiten beschrieben hatte. Im russischen Tundra ist das Leben sehr hart, das war und ist nicht wie in den bunten Siedlungen des amerikanischen Alaska mit Motorschlitten und Co. Das, was ich als Kind gelesen habe (Schulprogramm), hat in meinem Gedächtnis tiefe Spuren hinterlassen. In einem der Romane beschrieb er, wie eine verstoßene Ehefrau mit einem Baby im Winter zu ihrer Großfamilie zurückkehren musste und einige Tage im Freien laufen und übernachten musste. Er hat beschrieben, was das heißt, wenn das Baby, das am Körper der Frau unter der Kleidung getragen wird, sich erlaubt, nass zu werden. Eigentlich würde das einen schnellen Tod für die beiden bedeuten: die Mutter friert einfach, verliert schnell an Körperwärme, kann nicht mehr laufen... Die Sauberkeitserziehung war also eine Art Überlebensgarantie... Das Baby wurde in regelmäßigen Abständen herausgeholt und - nackt - über dem Schnee gehalten. Es wusste, je schneller es seine Geschäfte erledigte, desto schneller es wieder am Körper der Mutter im kuscheligen Fell der "Unterziehjacke" landet.

Solche Beschreibungen der menschlichen Kulturgeschichte findet man nicht oft. Was machen afrikanische Frauen? Frieren wird man nicht, aber Fliegen, Gestank etc...? Haben sie soviel Baumwolle und Wasser? Was machen die Nomaden? Kann man Schafswolle als Windeln gebrauchen? Im Urwald ist warm, man kann die Babys nackt tragen, aber was machten die Völker in den kalten Anden?

Wir haben es gut. Wir sind gewohnt, unsere Babys in den immer besser funktionierenden Windeln sicher "eingepackt", mit netten Kleidern ausgestattet, überall mitzunehmen. Unsere Augen suchen dann nur ein kleines Schildchen mit einem Wickelraumsymbol. Später, wenn die Kinder so um 3 Jahre alt sind, bringen wir ihnen bei, dass man für die "Geschäfte" lieber eine Toilette aufsuchen soll. Meistens klappt es dann auch.

Seit einigen Monaten schon denke ich an mein Kind mit DS. Es graut mich bei dem Gedanken, dass ich noch zehn Jahre vielleicht Windeln brauchen werde...
Aber ich bin nicht nur am Denken und Überlegen. Ich tue auch was. Ich erzähle später davon, ob das klappt...

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