Montag, 16. Juli 2007

Fensterbilder

Man spricht so oft von verschiedenen Entspannungstechniken, die Bewegung tut gut, ruhige Musik tut gut, das Stricken hilft mir persönlich. Aber was macht man, wenn eine sehr schwere Phase kommt, wenn man sich mit Lieblingsbeschäftigungen gar nicht helfen kann. Oder man will bewusst diese Lieblingsbeschäftigung nicht aufnehmen, da man fürchtet, diese schwere Phase würde irgendwie daran "hängen bleiben", die Erinnerungen kommen wieder hoch... So ging es mir und uns im November, als Johanna an ihrem 7. Lebenstag an der Uniklinik Münster operiert wurde.

Der Verdacht auf Duodenalatresie ist schon am 3.Lebenstag in Osnabrück ausgesprochen worden, und die Röntgen -Untersuchung im Kinderhospital Osnabrück hat dies bestätigt. Am gleichen Tag ist Johanna im verrauchten und ziemlich schmutzigen Taxi von Osnabrück nach Münster gebracht worden. Unser Wagen und wir als Fahrer passten aus Versicherungsgründen nicht.
Die Uniklinik ist uns bis dahin nicht bekannt gewesen. Schon der erste Blick auf diese "Gesundheitsfarm" mit ihren zwei so genannten Bettentürmen hat eine düstere Stimmung hervorgerufen. Die Räume für Babys waren kahl, kalt, abgenutzt und sichtlich lieblos. Alte Alufensterrahmen leisteten kaum Schutz vor Wind und Kälte, die Wände, weiß gestrichen, waren nicht mal mit einem Bild versehen… Ich als Wöchnerin bekam einen Stuhl und den Hinweis auf die Nutzung der Öffentlichen Toilette im Flur außerhalb der Station...

Der Montag, der 20. November war sehr schwer. Die Kleine haben wir noch bis zum OP-Bereich begleiten können. Und dann hieß es nur warten. Wir, zwei Erwachsenen, mussten etwas machen. Sprechen – das ging nicht.

Am Tag davor, während des Besuchs bei der Kleinen, hat unsere 9-jährige angefangen, Fensterbilder für dieses kahle Zimmer zu machen. Sie hat schwarze Konturen für viele lustige Pinguine gezogen. Die Konturenlinien waren trocken, die Folien lagen auf der Fensterbank neben dem leeren Bettchen.

Kommt unser Kind überhaupt wieder?

Auf der Fensterbank stand auch die mitgebrachte Kiste mit den Fensterfarben.

Irgendwie hat es sich ergeben, dass wir, zwei Erwachsenen, uns mit einer zu dieser Uhrzeit ungewöhnlichsten Sache beschäftigten: wir füllten die Konturen mit bunten Farben, wir bemühten uns, alles sauber und gleichmäßig hinzubekommen, wir sprachen sogar, welche Töne zusammenpassen würden…

Ich habe versucht, mich selbst von der Seite zu betrachten. Ich konnte es nicht. Alles war unwirklich, alles war wie nicht mit mir, sondern mit einer anderen, mir nahe stehenden Person. Aber ICH war es nicht.

Die Kleine hat die Bilder kaum sehen können. Es war so windig, das man die dicken Vorhänge zuziehen musste. Die lustigen Pinguine sind – denke ich – immer noch da, und andere Eltern sitzen da und fragen sich: Warum?

Und ich weiß nicht, warum soviel Leid kommen musste. Man hat ja mit Freude ein Baby erwartet, das ein schönes Leben anfangen sollte. Wer hat schon seinem Kind soviel Schmerz gewünscht…

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