Sonntag, 23. August 2009

Unsere Reise. Tag 49. Pushkar.

Sonntag, den 23.08.09h

Ich war so früh wach, dass ich mir vorstellen konnte, mich ganz alleine auf dem Hotelterritorium umschauen zu können. Was für ein schöner Hof! Ich habe mir vorgestellt, dass wir in einigen Stunden an einem dieser Tische frühstücken können. Was für ein Luxus!Ich ging durch das noch stille Haus... Liebevoll ausgesuchte Details auf den Balkonen
und Handbemalte Decken konnte ich lange bewundern... alles unterschiedliche Muster... wer schon Mal das zu Hause versucht hat, wird wissen wieviele Stunden in einen solchen Kreis hineinfliessen...
Am Aufzug gab es wieder dieses Symbol, das im buddhistischen und im hinduistischen Raum oft verwendet wird und soviel wie "Kreislauf des Lebens" bedeutet, wie man uns erklärte.
Meine Mädels waren doch wach... Na gut, dann gingen wir zusammen durch das Haus und den Garten... Einen hübschen Papaya-Baum haben wir so nah bis jetzt noch nicht gesehen, die Früchte werden nach und nach reif, sie werden oft zum Frühstück serviert.
Meine Mädels wollen schwimmen gehen, wenn diese seltene Möglichkeit hier vorhanden ist.
So ein schöner gepflegter Garten! Der Gärtner ist bereits unterwegs, er hat eben einige verwelkte Blüten abgenommen... Mensch, was für eine Ordnung! Den Rasen kann man auch nur bewundern... besonders, wenn man weiß, was für eine staubige schmutzige Strasse in wenigen Dutzend Metern das Hotel mit dem Ort verbindet.
Den Morgen und den Vormittag haben wir echt genossen. Wir frühstückten im Hof, Johanna durfte überall laufen - Treppe hoch und herunter, es gab keine großen Gefahren, dafür viel Spielraum. Zum ersten Mal haben wir einen solchen Aufenthalt... Aber gerade, wenn man so entspannt ist, kommen auch wichtige Gespräche vor... Josef ließt gerade ein Buch zum Thema Gut-Böse, wir sitzen hier im tollen Hotel, da draussen ist das Leben ganz anders... Wir geniessen es hier alles... dürfen wir? Wir finden wohl nie eine Antwort in dieser Welt...

Wir alle wollten uns zurückziehen - viel zu viel sind wir unterwegs, kaum eine Möglichkeit, zu sich zu kommen und nachzudenken, wobei es Einiges zum Nachdenken gibt... die Rückkehr steht bevor, es sind viele wichtige Dinge, die auf uns warten und eine Lösung brauchen...
Johanna ist eingeschlafen. Ich freute mich immer für sie, wenn sie ein Bett zum Mittagsschlaf hatte, das war auch Luxus in den letzten Wochen. Ich wollte aber eine Internetmöglichkeit finden und bin aus dem Hotel herausgegangen. Heiss... In einem kleinen Büdchen neben der Lehmhütte mit dem Internetcafe schlafen auf dem Boden fünf oder sechs Menschen, ganz nah zueinander...
Als ich wieder im Hotel war, wollte meine Familie etwas unternehmen, und zwar wie immer - alles sofort! Es wird der heilige See - Holy Lake, wie wir schon zig mal gestern gehört haben - besichtigt. Mit dem Kinderwagen - ab, los zum See!
Man gewöhnt sich, dass man die Strasse mit allen anderen Stadtbewohnern teilt. Hoffentlich macht uns der Wasserbüffel nichts...
Eine feierlich gekleidete Gesellschaft kam uns entgegen, alles alte Menschen. Die alten Frauen sahen Johanna und wollten sie umarmen und grüssen und streicheln... Wir waren froh, positive Menschenkontakte zu haben, sie waren etwas rar in den letzten Tagen...
Ein Auto hat uns überholt. Unser Fahrer, der uns seit Delhi begleitete, machte uns Zeichen. Wir gehen ja in die falsche Richtung, da gibt es keinen See.
Wollen wir den Tempel sehen? Er kann uns ja bringen! (er sollte unser Guide sein, aber wir haben ihn gar nicht angesprochen den ganzen Tag, er fühlte sich etwas unterbeschäftigt...)
Er kannte sich in Pushkar sehr gut aus. Josef mit Johanna auf den Schultern wollte sich im Brahma Tempel umschauen, Maria und ich waren sofort von vielen Menschen angesprochen, es wurde an uns buchstäblich gezerrt und gezogen. Maria wollte gar nicht hier bleiben, sie wollte nur weg. Danach kam noch die Situation mit dem Jungen, der nach einem Chapati fragte...

Hier sind einige Aufnahmen von Josef, der die Kamera mitgenommen hat:
...die Strasse...

...die Frauen, für die Josef Johannas Kleider ausziehen sollte... hat er aber nicht getan, da sie mit viel Agression vorgegangen sind...
...eine der Kapellen, die für Ausländer noch zugänglich sind...
...im Inneren einer Kapelle...
Wir hatten keinen Reisebegleiter, der uns etwas dazu erzählen konnte, die Menschen, die in der ganzen Stadt den Ausländern Blumen für den heiligen See in die Hand drücken wollten, wollten sofort nur money haben... es blieb uns nur, uns selbst im Internet weiter über die Tempelanlage zu informieren...
Man kann sich nicht vorstellen, dass dieser schöne Restaurantgarten nur wenige Meter von dem schmuddeligen Tempeleingang ist... Die einheimischen Kellner passen gut auf, dass sich die einheimischen Mitbürger oder Pilger nicht mal auf die Schwelle des Garteneingangs setzen dürfen... da können wir über das Gut-und-Böse-Thema sowohl als auch über "Compassion" als Grundlage der buddhistischen und der hinduistischen Religionen lange diskutieren... diese Grundlage wird hier nicht gelebt... Hinter dem geschnitzten Zäunchen sitzt ein junges ausländisches Paar. Sie bewegen sich hier "wie normal" - ich konnte auf der Strasse zuvor beobachten, sie haben alle Einheimischen "abgewehrt" und diese als nicht-existent behandelt... Wir sitzen, zerissen von Kontrasten, und sie lassen sich gut gehen... oh je, wir kommen nicht weiter...

Unser Essen ist da... Die Küche habe ich gesehen, als ich Chapatis für den Jungen bekommen wollte... na ja... Aber zum Glück bekommt Johanna eine appetitliche frische Maissuppe, die mich einfach glücklich stimmt: heute muss ich kein schlechtes Gewissen haben, dem Kind nichts Brauchbares zum essen zu organisieren... Josef bekommt ein vegetarisches Kotelett... Ein Gedanke an das Fleisch ist ja hier schon eine Sünde...

Auf dem Weg zum Hotel trafen wir die hübsche Frau - ich habe schon von dieser Begegnung berichtet. Statt Lächeln auszutauschen, tauschten wir Enttäuschung: ihr unerwartetes Betteln in der nächsten nach dem Knipsen Sekunde hat uns nur verwirrt...
Aufgewühlt, gingen wir zum Hotel. Maria wollte schon die ganze Zeit "hier weg", bei mir war auch ein Gefühl, in diesem Ort einfach etweder unerwünscht oder Freiwild zu sein... Solche Situationen hatten wir schon mal im Leben, so mussten wir uns selber sagen, dass wir in den kommenden zwei Stunden NUR LEBEN werden und versuchen, mit allen nett und freundlich zu sein. wir hatten etwas vor...







Wir hatten DAS vor...
Zwei Stunden durften wir auf den Kamelen reiten und, wenn wir nicht zu langsam sind, den Sonnenuntergang noch sehen. Der Kamelbesitzer war etwas enttäuscht, dass wir keine "Maharadja-Kamele" (mit viel buntem Zeug gegen Aufpreis) und keine Tänze in der Wüste samt überteuertes Abendessen haben wollten... Aber die Jungs, die uns begleiteten, wussten nichts davon, es war ein lustiger Spaziergang...
Johanna fand das Reiten nicht so anstrengend, wie der Papa - er musste rutschende Johanna halten und den Schritt des Tieres "mitfühlen", aber nach einer halben Stunde ging es bei ihm auch gut...
Am Ortsrand sahen wir etwas wie Jahrmarkt!!!!!! Zum ersten Mal in Indien sahen wir, dass die Menschen dorthin gehen, um etwas Geld für den Spass auszugeben... Sonst hatten wir solche Situationen nur in der TVWerbung gesehen, die nicht realistisch wirkte.
Wir sind am kleinen Hügel hinter der Stadt, es beginnt eine Sandfläche - eine mini- Wüste... Die Kamele freueten sich und wollten sich schnell hinlegen.
Wir machten Picknick. Man sieht, dass Johanna, wie immer, jemaden für sich schon gewonnen hat.
Die beiden Jungs wollten Johanna gar nicht los lassen... Wir sprachen miteinander, wir erzählten von uns und sie von sich. Lehrerin? Nein, sie hatten nie eine. Sie sind nie in die Schule gegangen... Sie können nicht lesen und schreiben... Sie müssen einen Fingerabdruck setzten, wenn sie etwas unterschreiben. Was wollen sie denn später mal machen?

....die lieben netten Jungs haben nicht verstanden, was Josef fragte...


In den letzten Sonnenstrahlen machte ich ein letztes Foto von Maria. Auf dem Weg zurück habe ich viel nachgedacht... Die Jungs habe ich ja heute schon gesehen... sie schliefen im kleinen Büdchen, alle nebeinander, ganz eng... Haben sie ein anderes Haus irgendwo, wo sie es besser haben? Wie gern hätte ich es ihnen gegönnt...
Wie einer jungen Frau, die im schmuddeligen Häuschen hockend, einen alten Topf putzte... Wie einem Kleinkind, das vor der Haustür mit einem alten Lappen abgewischt wurde... Wie den Busfahrern, die offensichtlich in ihren Bussen übernachten werden und sich jetzt auf der Strasse vor der Wasserstelle waschen... Wie einem alten Mann, der fast abwesend vor einem Tempel erstarrt war... Ich finde niemals ein Ende meinen Gedanken...

Das nächste Bild ist wieder ein Kontrast. Zwei Köstlichkeiten Indiens, Rasgulla (hell) und Gulab Jamun (dunkel). Beide aus etwas eingekochter Milch und Mehl hergestellt, im süssen Sirup mit etwas Kardamon eingelegt... nicht Besonderes oder Teures... Aber alles, was auf diesem Tisch steht, auch ein Glas Milch mit etwas Kakaopulver und ein Glass süsses (sauberes) Wasser mit Zitronensaft, scheint für die meisten Menschen hier unerreichbar... Auch das saubere Tischtuch und das ganz einfache verbogene Besteck und Geschirr...

So beendeten Maria und ich unseren Abend...

Ich stelle mir meine ziemlich alte, aber hier absolut luxuriöse Küchenausstattung vor... In unserer Schule wurde die Küche vor Kurzem umgebaut... Solch ein Niveau an Sauberkeit! Die Spülmaschinen leisten die beste Arbeit. Und die Kläranlage der Stadt tut es auch... Und alle möglichen Parteien finden einige gemeinsame Punkte - die Umweltpflege... Ich weiss nicht, was hier passieren soll, damit auch hier, mit einfachen Mitteln, mehr Lebensqualität und Zufridenheit einkehren können...

Was am Ende des Lebens hier sein wird, haben wir beteits gesehen: als guter Hindu wird man verbrant, in einer schmuddeligen Ecke, 24 Stunden nach dem Tode spätestens, die bunten Kleider schmeist man auf einen Haufen, die Asche fegt man in den Fluss - und weg bist du, Mensch...

Solch ein Tag...

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